Kulturschock - Dritte Dimension

Interkulturelle Erfahrungen der letzten Jahre lassen mich die Theorien zu Culture und Re-Culture-Shock um eine dritte Ebene definieren und ergänzen. Für interkulturelle Trainer wirkt sich dies in kritischer Überprüfung unserer bestehenden Perspektiven und der Forderung nach Erweiterung von Trainingsmethoden und Anpassung von Konzepten aus.

 

Für die meisten unter Ihnen gehören die Begriffe des Culture Shock und Re-Culture Shock sicher zum täglichen beruflichen, wenn nicht sogar privaten Vokabular.

Alle interkulturellen Trainer unter Ihnen, die Wert auf Praxis und Wissensvermittlung durch eigene Erfahrungen legen, können ihre Trainings sicherlich mit persönlichen Critical Incidents and Stories in Zusammenhang mit dem Empfinden einer fremden Kultur unterstreichen.

Gehen wir dennoch kurz zur Definition der Begriffe aus der Literatur zurück. Im Culture-Shock sprechen wir von der Überraschung nach Eintritt in eine andere Kultur und die unerwartet kritische Auseinandersetzung mit der Andersartigkeit, die in 4 Phasen definiert wird: Honeymoon, Krise, Erholung und Anpassung. Je nach Persönlichkeit kann dies in völliger Beibehaltung der eigenen Sichtweisen, bis zur Aufnahme einiger neuer Verhaltensweisen und schließlich kompletten Anpassung ausfallen. Die interkulturelle Vorerfahrung entscheidet, wie deutlich die Phasen ausfallen.

Eine geänderte Perspektive und Haltung zur eigenen Kultur führt zum Re-Culture-Shock bei Rückreise in die Heimat. Da dies noch weniger erwartet wird, fällt diese innere Auseinandersetzung meist stärker aus als der Culture-Shock selbst.

In meinem Auslandsaufenthalt in den USA erinnere ich mich daran, mich sehr stark mit meiner Heimat als auch der amerikanischen Kultur auseinandergesetzt zu haben. Die zusätzliche Herausforderung lag darin, in einem internationalen Unternehmen nicht nur auf die amerikanische Kultur, sondern auch auf Inder, Türken, Italiener und Thailänder zu treffen. Wesentlich schwerer fiel hingegen die inneren Fragestellungen aus, als ich nach Deutschland zurückkehrte. Die Adaption an die irische Kultur und Reintegration in die deutsche fielen mir bei meinem nächsten Auslandsaufenthalt um Einiges leichter.


Diese Beobachtungen können meiner Erfahrung nach jedoch erweitert werden, die ich im Folgenden anhand von Beispielen aus meiner Erfahrung herleite und mit bezeichne. Der Reiseveranstalter meiner Reise nach Tansania hat sicherlich im Sinne seiner Kunden gedacht, indem er mehrere deutschsprachige Touristen auf eine Safari buchte. Meine ersten Eindrücke zu meinen Mitreisenden bekam ich, als diese ihren Unmut über den Geschmack des afrikanischen Kaffees deutlich und in einer Art und Weise hervorbrachten, die, sagen wir, international verständlich ist und durch das nebenstehende Servicepersonal auch wahrgenommen wurde. Meine Neutralität endete jedoch an dem Punkt, an dem man den Fahrer fragte, wann denn die Straßen endlich gebaut würden, sich über immerwährendes kaltes Wasser nach zehnminütigen Laufenlassens beschwerte bzw. als man beim internationalen Buffet am Abend bemerkte, dass auch Afrikaner lediglich Pasta und Geflügel verspeisen. Diese deutliche Wahrnehmung der Intoleranz bzw interkultureller Unachtsamkeit brachte einige andere, ähnliche Erfahrungen mit Deutschen gegenüber fremden Kulturen in Erinnerung und ließen mich zu der Vermutung kommen, dass dies keine Ausnahmeerfahrung, sondern wiederholende Beobachtung und eventuell Fakt sei.

 

Culture Shock 3 definiert also die entstehenden Emotionen aus Beobachtung weniger interkulturell bewusster Menschen der eigenen Kultur in einer Gastkultur. Die dritte Potenz erklärt sich, da die Erfahrungen quasi als außenstehender Beobachter gemacht werden  und über das Selbst und das jeweilige Umfeld hinaus um eine dritte Bezugsperson oder –gruppe erweitert werden. Die Wahrnehmung kann in folgende Phasen gegliedert werden: a) Unglaube, b) realistische Beobachtung und c) Reaktion. In der ersten Phase vermeint man noch, den Kontext des Geschehens eventuell falsch erfasst oder sich nicht aller Details bewusst zu sein. Schließlich beobachtet und analysiert man die Situation und begreift es als Realität. Im letzten Schritt entscheidet man sich zur Reaktion. Diese wiederum ist verschieden, abhängig von der Persönlichkeit. Die vermeintlich introvertierte Antwort ist wohl die Distanzsuche. Die vermutlich extrovertierte Reaktion liegt eher in der Ansprache bzw. dem Konflikt.

In meiner persönlichen Geschichte habe ich mich letztlich dafür entschieden, durch kleine aber wohldosierte Erläuterungen meiner persönlichen Motivation zur geplanten individuellen Weiterreise fernab der typischen Tourismuswege den Wunsch meiner Mitreisenden nach einem Blick hinter kulturelle Kulissen zu stärken. Was ich auf der Reise durch das Land gesehen und in Gesprächen mit Menschen erfahren habe, war deutlich interessanter als jeder Cocktail am Pool. Schließlich bin ich aus meiner Reise mit einem gestärkten Selbstbewusstsein für meine Aufgabe als interkultureller Trainer und Consultant zurückgekehrt und freue mich auf die vor mir liegende Arbeit mit anderen Menschen und Kulturen.


Daraus ableitende Schlussfolgerung für uns als interkultureller Trainer ist nun, zu differenzieren aus welcher Perspektive wir unserem Publikum Wissen vermitteln wollen bzw. welche Sichtweise angefragt ist. Beschränken wir uns auf die Sichtweise aus Culture- und Re-Culture-Shock, so sind wir Teil des Ganzen und bereiten auf die inneren Konflikte vor. Aus Sicht des Trainers jedoch sorgen wir für eine Grundsensibilisierung für die andere Kulturen und müssen unsere Trainingsmethoden daher erweitern und anpassen.

Wir interkulturelle Trainer erfahren damit eine weitere Bestätigung unserer Aufgabe und sehen  ausreichend Potential zur Sensibilisierung unseres Umfeldes. Wer eine ähnliche Situation bereits erlebt hat, fühlt sich in seiner Berufswahl bestätigt und verbringt jeden Tag mehrere Stunden mit Aufgaben, die durch Nachhaltigkeit und einem mehr als materiellen Sinn geprägt sind.

Ich freue mich über weiteren Erfahrungsaustausch und Gespräche.


Quellenangabe:

http://de.wikipedia.org/wiki/Kulturschock

http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/kulturschock.html


 

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Kulturschock in der 3. Dimension
In meinem Engagement als Interkultureller Trainer bin ich auf Erfahrung gestossen, die in der Theorie noch nicht definiert sind. Dieser Artikel beschreibt meine Definition des Culture Shock3.
Über die Steigerung des Re Culture Shock
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