Interkulturelle Kompetenz - Mein Artikel in der Oracle Mitarbeiterzeitschrift

Als Individuum mit getrockneter Tinte unter dem Arbeitsvertrag bei Oracle stellt sich täglich die Herausforderung der multinationalen Zusammenarbeit. Hast Du selbst vielleicht schon die Erfahrung mit französischem Ehrgeiz, aber operativer Gelassenheit gemacht? Oder gar in die stolzen Augen eines britischen Account Managers geblickt, der den Meeting Raum mit einer aus seiner Sicht akzeptablen Verspätung von nur fünfzehn Minuten betrat? Vielleicht hattest Du ja auch schon das Vergnügen der kurzen Verwirrung, weil Du Dich nicht erinnern konntest, ob es nun die Franzosen, Holländer oder Belgier sind, die sich dreimal zur Begrüßung auf die Wange küssen. 

Um die ökonomische Relevanz für interkulturelle Kompetenz frühzeitig darzustellen, sei diese hier mit der nötigen Ernsthaftigkeit vorangestellt: Als multinationales Unternehmen mit umfassendem Produktportfolio werden wir in Projekten immer auf Kunden, Account Teams unterschiedlicher Kulturen und interne Serviceabteilungen treffen, die die Koordination umfangreich macht und Anforderungen an die Optimierung im Projektablauf stellt. Verzögerungen und Missverständnisse müssen minimiert werden, um schnell auf Marktanforderungen reagieren zu können, dem Wettbewerb eine Nase voraus zu sein und letztens kostensparende Projekte abzuschließen, z.B. durch Minimierung von Consulting Tagen oder Reisekosten. Im zwischenmenschlichen Bereich stoßen wir auf individuellen Stil, zunehmend interkulturell geprägt. Verständnis und die Fähigkeit zur Anpassung an spezielle Situationen im Miteinander können also als Schlüssel für erfolgreiche Account Teams unterschiedlicher Kulturen gesehen werden, die wissen, wie man kulturbedingte Stärken bewusst einsetzt, um Projekte erfolgreich und möglichst in kürzeren Vertriebszyklen abzuschließen.

Letztlich ist das Thema der interkulturellen Toleranz auch in unseren Corporate Social

Leadership Prinzipien abgedeckt. Interkulturelle Trainer und Coaches haben es sich zum Auftrag gemacht, diese Sachverhalte zu vermitteln und somit kulturelle Unterschiede zu überbrücken. Nun ist die Aufgabe allein nicht darin bestanden, sich zu merken, wie oft der Belgier küsst. Denn schließlich läuft das Leben nicht nach Drehbuch. Daher sind die Ansätze interkultureller Arbeit dreischichtig. Diese drei Stufen sollen im Folgenden beschrieben werden.

Der Fokus liegt dabei auf der zweiten Stufe, der theoretischen Darstellung der Studien von Geert Hofstede. Er ist Vorreiter der Kulturbeschreibung und vielzitiert in der interkulturellen Arbeit.

 

A. Sensibilisierung

Im  ersten Pfeiler interkultureller Arbeit geht es um die Vermittlung einer Sensibilisierung, hier werden Erfahrungen auf emotionaler Ebene gemacht, weniger auf Sachebene. Die Vermittlung kann z.B. durch Simulationen erreicht werden, für die der Teilnehmer ein genaues Briefing erhält und sich plötzlich an Situationen anpassen muss, in denen er weder Recht noch Unrecht hat. Diese Stufe hat erfahrungsgemäß die größte nachhaltige Wirkung. Persönlich halte ich sie für die Wichtigste, weil sie eine Grundeinstellung in Toleranz und Verständnis für den Anderen schafft und damit die Fähigkeit vermittelt, jede Situation respektvoll und

professionell zu meistern.

 

B. Kulturelle Dimensionen

Die Beschreibung des  zweiten Pfeilers verbinde ich mit einer Buchvorstellung:

Geert Hofstede hat mit seinem Sohn, Gert  Jan Hofstede, u.a. das Buch „Lokales Denken, lokales Handeln“ herausgebracht, dass seine Studien zum Kulturvergleich beschreibt. Wozu? Abgesehen von der nötigen Sensibilisierung im internationalen Umgang ist es wichtig, Kulturen anhand bestimmter Charakteristika zu

beschreiben, somit Ansätze für den Vergleich zu schaffen und Verhaltensempfehlungen daraus abzuleiten. Hofstede beschrieb hierzu fünf Dimensionen. Mit Hilfe einer Studie sammelte er Daten von über hunderttausend Individuen aus vierzig verschiedenen Nationen, die ihre Heimatkultur einschätzten. Dazu gab er zwei (laut Dimensionsbeschreibung gegensätzliche) Handlungsalternativen einer beschriebenen Situation vor, von denen der Teilnehmer wählen sollte, welche Handlungsweise er bevorzugen würde. Er wertete diese aus und stellte die Ausprägungen anhand von Zahlenwerten dar. Anhand der sichtbaren Differenzen beim Vergleich zweier Kulturen konnten nun die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beschrieben werden. Aus diesen wiederum lässt sich überlegen, wie die eigene Kultur in der jeweiligen Gastkultur wahrgenommen wird und vice versa.

Trotz aller Theorie sei dennoch erwähnt, dass dies einen Rahmen und Ansatz darstellt, der für eine grundsätzliche Vorbereitung auf den Umgang mit einer speziellen Kultur geeignet, aber nicht als alleinige Wahrheit zu sehen ist. Schließlich besteht eine Kultur aus Individuen, die eigenständig handeln. Der oben beschriebene erste Pfeiler interkultureller Vorbereitung gewinnt dadurch noch an Gewichtung, da er die Toleranz und Akzeptanz für Andersartigkeit schärft. Welche sind nun die fünf Dimensionen zur Beschreibung eines Kulturkreises?

 

Individualismus und Kollektivismus…

…beschreibt den Grad, zu dem eine Kultur individuelle oder kollektive Leistung und interpersonale Beziehungen forciert. Ein hohes Ranking im Bereich Individualismus deutet darauf hin, dass Individualität und individuelle Rechte hoch verankert sind. Individuen formen eher eine höhere Anzahl „loser“ Beziehungen. Ein niedriger Wert dagegen beschreibt eine Kultur mit starken persönlichen Bindungen zwischen Individuen. Die Gesellschaft legt großen Wert auf erweiterten Familienkreis und die Verantwortung jedes einzelnen für andere Mitglieder dieser Gruppe.

 

Maskulinität und Femininität…

…beschreibt die Stärke der traditionellen männlichen Rolle von Leistung, Macht und Kontrolle im Kulturkreis. Ein hoher Wert drückt eine starke Geschlechterdifferenzierung aus. In diesen Kulturen dominieren die Männer große Teile der Gesellschaft und Strukturen, die Frauen werden von männlicher Dominanz kontrolliert. Ein geringer Wert dagegen indiziert eine geringe Differenzierung zwischen Mann und Frau. Hier werden Frauen in allen Aspekten der Gesellschaft gleichermaßen respektiert.

  

Unsicherheitsvermeidung…

…fokussiert auf den Grad der Toleranz von Unsicherheit innerhalb eines Kulturkreises.

Ein hohes Ranking steht für eine niedrige Toleranzgrenze von Unsicherheit und Unklarheit. Ergebnis dessen ist eine regelorientierte Gesellschaft, die Wert auf Gesetze, Regeln legt, um in der Summe dessen einen möglichst hohen Grad an Sicherheit und Rahmen vorzugeben. Hohe Toleranz für eine Vielzahl an Optionen, geringere Regulationsansätze, schnellere Anpassung an Veränderungen und die Akzeptanz von Risiken sind dagegen die Grundzüge einer Kultur mit geringerem Ranking.

 

Machtdistanz…

…ist der Grad von Gleichheit, oder eben Ungleichheit zwischen den Menschen einer Gesellschaft. Hohe Werte im Ranking deuten an, dass Macht und Reichtum in der Entwicklung der Kultur erlaubt waren. Diese Gesellschaften folgen möglicherweise einem Kastensystem, das keine deutliche Mobilität nach oben erlaubt. Das Gegenteil dazu ist eine Gesellschaft, die Chancengleichheit für all ihre Mitglieder betont.

 

Langfristige Orientierung…

…beschreibt den zeitlichen Planungshorizont einer Gesellschaft. Eine hohe Ausprägung in der langfristigen Orientierung indiziert ein Land mit hohen längerfristigen Werten und Engagement und Respekt für Tradition, Beharrlichkeit und Sparsamkeit. Dies ist als Unterstützung einer starken beruflichen Ethik angedacht, in der längerfristige Belohnung als Resultat gegenwärtiger harter Arbeit erwartet wird. Die Anbahnung einer Geschäftsbeziehung dauert hier länger. Ein geringer Wert dieser Dimension deutet auf die Möglichkeit häufiger und schneller Veränderungen und Flexibilität hin, langfristige Orientierung und Tradition sind kein Hinderungsgrund für Veränderungen. Der letzte Satz verführt hier geradezu zu erwähnen, dass die Kulturdimensionen auch auf Unternehmenskulturvergleiche Anwendung finden.

 

C. Länderspezifikationen

Der  dritte Pfeiler interkultureller Arbeit besteht nun in der Vermittlung der Spezifika pro Land. Es werden Tipps und Tricks für das Verhalten innerhalb einer Kultur gegeben. Und hier finden wir auch unser oben genanntes Beispiel wieder: Stereotypisch gesehen küsst der Holländer dreimal. Mit der richtigen Einstellung und Sinn für Humor lässt sich jedoch diese Situation auch ohne dieses Vorwissen meistern ;)

 

Es gibt eine Vielzahl an Literatur, die bestimmte Details in der Verhaltensweise beschreiben, ein bisschen in der Form von Knigge, z.B.: Begrü.ungsriten, Trinksitten, Gesprächsthemen, Merkwürdigkeiten usw. Persönlich habe ich erlebt, dass eine gute Sensibilisierung die beste Vorbereitung auf den Umgang mit anderen Kulturen ist. Ich freue mich, wenn sich der Eine oder Andere genauer mit dem Thema befassen möchte und stehe gern für einen Austausch zur Verfügung.

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Interkulturelle Kompetenz - mein Artikel in der Oracle Mitarbeiterzeitung
Dieser Artikel wurde von mir verfasst und in der @Oracle, Zeitschrift für Mitarbeiter der Oracle Deutschland GmbH, veröffentlicht.
Interkulturelle Kompetenz - eine Einführ
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